Große deutsche Weißweine im Herbst 2010

Diese Verkostung fand bei meinen Weinfreunden Erich und Dolores statt, welche auch eine fantastische gastronomische Untermahlung boten: Leckereien, die die Weine prima unterstützten. Die Weine stammten aus meinem Keller.

 

 

Hic sunt leones Riesling Spätlese trocken 2007, Reichsrat von Buhl, Pfalz

 

Das prächtige, denkmalgeschützte Anwesen zählt zu den größten und traditionsreichsten Gütern der Pfalz: Schon im 19. Jahrhundert sprach man von den „drei großen B“ (Buhl, Bürklin-Wolf und Bassermann-Jordan), die derzeit alle wieder für Furore sorgen. Größter Schatz bei von Buhl ist ein ausgedehnter Besitz in den weltberühmten Forster Top-Lagen Kirchenstück, Pechstein und, vor allem, Ungeheuer. Glanzstück des Hauses sind seit einigen Jahren die trockenen Riesling-Spätlesen aus den großen Lagen und hier vor allem ein Wein, der nur in besonders geeigneten Jahren erzeugt wird: Die Ultrapremium-Spätlese „Hic sunt leones“ (lat. „Hier sind Löwen“), eine Hommage an das 1887 von Franz von Stuck gestaltete, markante Etikett mit dem Löwen, das älteste Künstleretikett der Welt.

 

Ein schöner Einstieg in die Verkostung, sehr schön eingebundene Säure mit feinem Fruchtaroma. Durch den Drehverschluss schmeckt er nach wie vor frisch, man kann erahnen, was in der Folge noch an Rieslingen kommen wird. Ein echter Pfälzer Typ. Meine Bewertung: 88 Punkte.

 

 

Von der Fels Riesling trocken 2007, Klaus-Peter Keller, Rheinhessen

 

Ist eine Vorlese der Großen Gewächse aus dem Kirchspiel, Morstein, Abtserde usw. Die Reben sind jünger als 30 Jahre. Viel Kalkuntergrund. Zeigt erst ab 2 Jahren sein Potenzial. Viele Winzer wären froh, solch einen Wein als Großes Gewächs an der Spitze der Kollektion zu haben. Bei Keller bedeutet dies der Einstieg in den Riesling-Himmel nach dem Gutswein. "Das Weingut Keller aus Flörsheim-Dalsheim ist das beste Beispiel dafür, dass Winzer Lagen bekannt machen, und nicht umgekehrt." Gerhard Eichelmann

 

Ein mineralisches Festival im Gaumen und eine klare Steigerung zum Vorgänger. Der Nachhall ist wunderbar und fast nicht endend. Unglaublich, wie gut diese Cuvee von Keller schon schmecken kann. Der Wein ist in seiner vollen Blüte und muss sich vor Großen Gewächsen anderer Winzer überhaupt nicht verstecken. Meine Bewertung: 91 Punkte.

 

  

Escherndorfer Lump Riesling GG 2008, Horst Sauer, Franken

 

Aprikose, Zitrus, Ananas, Mango bestechen die Nase dieses Weines, welche von den rauchigen Noten des Muschelkalks begleitet werden. Am Gaumen zeichnet ihn Kraft und Balance aus, ohne jedoch aufdringlich und zu schwer zu werden.Diese Leichtigkeit verdankt er der grandiosen, wunderbar integrierten Säure. Auch hier ist die Mineralität am Gaumen hervorzuheben. Der VDP schreibt vor: Erste Lage, min. Spätlese, max. 50hl/ha Ertrag, selektive Handlese, sensorische Erkennbarkeit. Um eine klare Abgrenzung zu den anderen Weinen zu bekommen, erzeugt das Weingut die Großen Gewächse in seinen besten und ältesten Anlagen im Escherndorfer Lump. Die Wurzeln sind tief im Muschelkalk eingegraben und erzeugen so eine enorme Wucht gepaart mit Eleganz und Mineralität.

 

Der Lump ist noch sehr jugendlich, sein wahres Potenzial wird er in den nächsten Jahren zeigen. Was hier viel Spaß macht, ist der Einklang der Fruchtaromen mit der Mineralität. Hier ist ein großer Wein im Glas, der frühestens in zwei Jahren sein wahres Gesicht zeigen wird. Aber man kann diesen Wein auch noch guten Gefühles in zehn Jahren auftischen und seine Klasse spüren, da bin ich überzeugt. Meine Bewertung: 90+ Punkte.

 

 

Schnaiter Altenberg Riesling GG 2008, Jörg Ellwanger, Württemberg

 

Hierbei handelt es sich um eine Südlage 330-360 Meter ü. M. Reduktion auf eine Traube pro Trieb, zusätzlich halbiert. Der Ertrag betrug 40kg/ar bei 95° Oechsle. Beim Boden handelt es sich um Kieselsand – Keuper (Bunter Mergel). Ausbau: Spontan vergoren, schonende Pressung ohne Schönung. In der Nase finden sich Pfirsich und Aprikose, ein voller Riesling mit langem Abgang.

 

Dieser Wein ist sicher die Überraschung der ganzen Verkostung und kann als Publikumsliebling bezeichnet werden. Ich habe diesen Wein im März auf der ProWein und im Weingut verkostet und konnte da noch eine tänzerische Süße auf der Zunge spüren, die im Vordergrund stand, aber schon sein Potenzial erahnen. Das halbe Jahr Reife auf der Flasche hat diesem großen Wein sehr gut getan. Er zeigt sich nun vollends rund, bindet die Säure perfekt ein und hat tolle Aromen (Mango, Litschi?). Hier zeigt sich wieder, dass der schwäbische Weißwein unterschätzt ist und sich hier mit den Topwinzern der Republik sehr wohl messen kann. Der Wein kann mit seinen zwei Jahren schon jetzt getrunken werden und verspricht noch einiges für die nächsten Jahre. Meine Bewertung: 92 Punkte.

 

 

Breumel in den Mauern Riesling GG 2007, Müller-Catoir, Pfalz

 

Monopollage nördlich von Neustadt, etwas unterhalb der Gemeinde Haardt. Diese rund 2,5 ha große Spitzenlage ist Teil des Haardter Bürgergartens, jedoch von ihr durch eine alte Bundsandsteinmauer abgetrennt. Ein richtiges "Clos", im alleinigem Besitz von Müller-Catoir. Es ist die Perle des Gutes.

 

Trotz seiner 3 Jahre wirkt der Breumel noch sehr jugendlich. Er ist kein Power-GG, dass burgundisch daher kommt, sondern, ein mineralisches Kunstwerk, dass in den nächsten Jahren sich in eine Perle entwickeln kann. Ein trockener Pfälzer Paraderiesling, der zu den besten Weinen der Region gezählt werden darf. Ich freue mich schon darauf, in zwei Jahren die nächste Flasche zu öffnen. Meine Bewertung: 93 Punkte.

 

 

Großkarlbacher Burgweg Riesling GG 2006 Philipp Kuhn, Pfalz

 

Die Grosse Gewächs-Lage Burgweg (früher unter der Gewannenbezeichnung "Im Großen Garten") liegt in der Gemeinde Großkarlbach und fand schon 1495 erstmalig Erwähnung. Der relativ steile Südhang liegt über dem Eckbachtal und wird von zwei Seiten von Häusern umgeben, die die Lage schützen und wärmen. Dieser Weinberg eignet sich perfekt für Riesling (auf dem Kies-, Ton- und Kalksteinverwitterungsboden) und für Spätburgunder, auf der Parzelle mit schwerem Kalkstein durchsetzten Lehmboden.

 

Nach dem die Vorgänger ein wahres Riesling-Feuerwerk gezündet hatten, hatte ich hier eine Fortsetzung erwartet. Leider waren hier alle Teilnehmer der  Verkostungsrunde einig, dass dieser Riesling hier leider die Enttäuschung des Abends war. Es stand lediglich der Alkohol im Vordergund, von Frucht und Mineralik war nichts zu spüren. Vielleicht hatte er seinen Zenit schon überschritten? Eventuell ein schlechter Einfluss des Korks, was ja durchaus mal passieren kann. Das war der erste Wein von Philipp Kuhn, der enttäuschend schmeckte, was mich bei diesem Paradewinzer überrascht hat. Zumal ich eine Woche später die zweite Flasche verkostet hatte und zum gleichen Ergebnis gekommen bin……ich wollte es eben noch mal wissen und meine Geschmacksnerven erneut testen. Meine Bewertung: 85 Punkte.

 

 

Forster Ungeheuer Riesling GG 2006, Reichsrat von Buhl, Pfalz

Forster Ungeheuer Riesling GG 2006, Georg Mosbacher, Pfalz

 

Absoluter Riesling-Klassiker. Das Bonmot Bismarcks vom "Ungeheuer" der ihm ungeheuer schmeckte, ist ein Topos der deutschen Weingeschichte. Es beschreibt einen großen Wein, dessen spezielle Würzigkeit ihn zu etwas ganz Besonderem macht. Sein kraftvoller Korpus, ein Geschenk von Ton und Kalk im Boden, wird umspielt von Aromen wie Rosenwasser und Nelken. Der Wein von Mosbacher ist einer der besten trockenen Rieslinge dieses sehr problematischen Jahrganges in der Pfalz, da es aufgrund von schweren Hagelniederschlägen zu enormen Ernteausfällen in der Mittelhaardt kam.

 

Nun konnte natürlich das Duo vom Ungeheuer nur noch gewinnen. Und diese beiden Riesling-Monumente kamen mit Gebrüll. Ich denke, wir haben hier zwei Riesling auf ihrem ersten Höhepunkt genossen, die eine burgundische Eleganz gezeigt haben und eine fantastische Mineralität. Der Abgang war sensationell, man konnte noch nach Minuten die Aromen schmecken. Das war großes Kino. War das wirklich ein Riesling, kam schon daher wie ein großer Chardonnay vom Duft. Das sind auf jeden Fall auch Weine für Leute, die sonst mehr die weißen Burgundersorten bevorzugen. Für mich war der Wein von Mosbacher noch eine Spur interessanter, da er noch zusätzlich leichte Gewürztöne in sich barg (leichte Musaktnote?). Das war für mich aus der Sieger dieser Verkostung. Meine Bewertung: 94 Punkte (Mosbacher), 93 Punkte (Buhl).

 

  

Sehnsucht Silvaner trocken Barrique 2008, Horst Sauer, Franken

 

In der Nase dezente Aromen von frischen Kernfrüchten und Kräutern, welche von der süßlichen  Würze der Vanille unterstrichen werden. Am Gaumen ist dieser Wein ausbalanciert, rund und kräftig. Hier wiederholt er die Vanille, die Holzaromatik und die Kernfrucht der Nase und paart sie mit feinen Zitrusnoten. Bei Sehnsucht handelt es sich um eine Lagen-Cuvée aus Fürstenberg und Lump. In beiden Lagen werden Silvaner-Trauben mit hohem Spätlese-Charakter gelesen. Diese werden getrennt, in Stahltanks vergoren und nach der Gärung cuveetiert. 40% dieser Silvaner-Cuvée werden dann in gebrauchte Barrique-Fässer gegeben, um dort einen Säureabbau zu machen. Sehnsucht ist der Wein, mit dem Horst Sauer in eine internationale Richtung gehen will, um zu zeigen, dass die Traube mehr kann.

 

Nachdem die Rieslinge uns zum Verzücken gebracht hatten, haben wir uns dann dem ersten Wein zugewandt, der das Barrique „geküsst“ hat. Ein Silvaner, den man so nicht kennt. Bei einer Blindverkostung hätte man hier bestimmt die wildesten Vermutungen geschmiedet. Dieser Tropfen hat nichts mit blumig-fruchtigen Allerwelts-Silvanern zu tun. Der Holzeinsatz ist leicht spürbar, eine leichte Vanillenote kommt auf, ich kann mir diesen Wein sehr gut auch zum Zürcher Geschnetzelten vorstellen. Ein schöner Essensbegleiter. Man spürt wieder ein Mal, was Horst Sauer und Silvaner können. Meine Bewertung: 89-90 Punkte.

 

 

Nicodemus candidus trocken Barrique 2007, Jörg Ellwanger, Württemberg

 

Es handelt sich hierbei um eine Cuveé aus Kerner, Grauburgunder und Chardonnay.  Der Ausbau erfolgte für ein Jahr im Barrique. Dieser Tropfen verfügt über einen exotischen Geruch, kräftig, erinnert an Mango und Banane. 100 % Spontangährung.

 

Einen Tick kräftiger, aber auch exotischer kommt diese Cuvee aus Württemberg daher. Wenn man das Wort „Kerner“ im Zusammenhang mit einem Spitzenwein hört, zuckt man erst mal zusammen, verbindet man doch damit irgendwelche süßlichen Supermarkt-Weine aus der Literflasche in den 80er Jahren. In dieser Cuvee sorgt der Kerner jedoch für die Spritzigkeit, welche dann durch die beiden Burgundersorten wunderbar abgerundet wird. Eine der besten Weißweincuvees aus dem Barrique in Deutschland und mehr als ein Geheimtipp. Meine Bewertung: 91 Punkte.

 

 

Philippi Chardonnay trocken Barrique 2005, Koehler-Rupprecht, Pfalz

 

Aus der Lage Annaberg bei Karlstadt, 5 km nördlich von Bad Dürkheim, direkt an der Weinstraße. Tafelwein, weil der Besitzer Bernd Philippi sauer auf die Weingesetzgeber war, die seine Barrique-Weine jeglicher Qualitätsbezeichnung verboten. Dann hat er eben die Weine ganz deklassiert. (Der Wein ist natürlich oberste Klasse) Vorbild: Antinori´s Vino Tavola "Tignanello" aus der Toskana. Selbes Problem auch dort.

 

Diesen Wein habe ich bis zum Schluss aufgehoben, da er polarisiert, ein Charakter-Kopf-Wein eben. Die Weine von Philippi sind dafür bekannt, dass sie sehr lange auf der Hefe reifen und deshalb auch lange auf der Flasche nachreifen müssen. Hinzu kommt hier noch eine Wahnsinns-Mineralität dieses Chardonnay. Das macht dann ein Kunstwerk, welches man sofort lieben muss oder sich davon distanziert. Genau diese beiden Extreme sind dann auch in der Runde aufgetaucht. Für mich persönlich stellt das einen der besten Chardonnays in Deutschland dar, der viele Chablis in den Schatten stellt, welche oft wie ein Butterfass schmecken. Das ist hier nicht der Fall, ein Wein mit Potenzial zum Lagern, macht auch noch in 10 Jahren Spaß und das für nicht mal 20 EUR. Meine Bewertung: 92 Punkte.